Der Geist der Nachbarschaft

Eine Pfingstgeschichte

Liebe Schwestern und Brüder, 

in der Zeitung liest Paul etwas, was er sofort glaubt: „Immer mehr Menschen fühlen sich einsam.“ Und nicht nur Ältere fühlen sich häufiger einsam; nein, auch Jugendliche, liest Paul vor ein paar Tagen. Es gibt zwar immer mehr „Kontakte“ mit Menschen – gerade in den sozialen Netzwerken Facebook, Twitter und Instagram – zugleich aber auch immer weniger wirkliche Gespräche über Sorgen, über Glück und Not im Leben. Eine merkwürdige Art der Selbstdarstellung ohne richtigen Austausch ist da geblieben, die süchtig macht, ohne zufrieden zu stellen. 

Viele sind ängstlich geworden. Paul kennt das. Er wohnt in einem Mietshaus, in dem sich früher alle kannten. Wenigstens ein bisschen. Im letzten Jahr allerdings gab es drei Wechsel bei Mietern – und keiner der Neuen hat sich den anderen im Haus mal kurz vorgestellt. Viele denken wohl, sie brauchten niemanden. Dann sind ihnen andere eben egal. Oder ist es vielleicht so, dass man sich schon ein bisschen davor fürchtet, fremden Menschen zu begegnen? 

Paul macht das anders. Mit Absicht. Wer weiß denn, was mal sein wird im Leben und in einem Haus mit vielen Menschen, denkt er immer. Deswegen schaut er andere an, grüßt sie, will wissen, wer so im Haus und in der Nachbarschaft lebt. Die Gesichter möchte ich schon kennen, sagt er. Und ruhig auch mal fragen, wie es denn so geht. Nicht neugierig fragen, nein, interessiert fragen. 

Ich interessiere mich, sagt Paul. Wir brauchen doch einander. Je kleiner die Familien werden oder je weiter weg Freunde und Angehörige wohnen, desto wichtiger werden die Nachbarn – die einen dann vielleicht auch mal vermissen, wenn man sich tagelang nicht sieht.

Ich glaube an den Geist der Nachbarschaft, sagt Paul. Das ist mein Mittelchen gegen Einsam sein. Soviel an euch liegt, habt mit allen Menschen Frieden. (Römer 12,18). Pauls Konfirmationsspruch 

Früher waren ihm Menschen in seiner Umgebung eher egal. Damals hat er noch viel gearbeitet und mehr Menschen in der Firma gekannt. Es gab auch mal Einladungen nach hier und da. Oder Ausflüge miteinander. Früher hat er auch eher mal geschimpft, wenn ihm etwas bei Nachbarn nicht passte. 

Heute weiß ich es besser, sagt Paul. Ich brauche Menschen. Niemand kann es alleine, das Leben. Manchmal muss man um Hilfe bitten. Dann ist gut, wenn man nicht alleine ist, wenn man Frieden hat und jemand da ist; ganz nah ist. Am besten gleich nebenan. 

Liebe Schwestern und Brüder, genau diese Erfahrungen machen wir auch bei uns und die Schiersteiner Nachbarschaftshilfe unterstützt es aus christlichem Geist mit ganz praktischen Angeboten wie Treffen und Besuchen, kleinen Hilfsangeboten und vor allem mit Gespräch. Niemand muss ganz allein bleiben, helfen wir aus dem guten Geist unseres Glaubens dazu mit. 

Mit herzlichen Pfingstgrüßen

 Ihr/Euer Pfarrer Dr. Jörg Mohn

Foto: Nahler